Author Archives: Katrin

Babies…

Die Zwillinge gehen heim

Wir hatten ganz vergessen, es zu erwähnen…was aus unseren vielen Kleinen geworden ist! Ihr erinnert Euch an die dramatische Verlegung am Morgen von Marcs Geburtstag? Das Kind, das so viel Sauerstoff brauchte und deswegen nach Davao verlegt wurde? Es kam tatsächlich wieder, topfit, und wurde nach einigen weiteren Tagen der antibiotischen Behandlung fit und gesund nach Hause geschickt (für Kollegen unsere Lehre daraus: wenn Du weder Katecholamine noch NO hast, gib ´nen dreifachen Volumenbolus in einem Rutsch, und bete…hat geklappt!). Und heute gab es nochmal einen sehr sentimentalen Sammelabschied: unsere drei Frühgeborenen, der 1500-g Junge, der auf dem Billiardtisch am Straßenrand geboren wurde und seine beiden ebenso unterkühlten Kumpels die mit je 1700g auf dem Motorrad und zu Fuß 5 Stunden durch den Regen hergebracht worden waren, haben heute nach Überschreiten der 1800g-Marke als große Muttermilch-Saug-Talente unseren Segen bekommen und durften „Olé sabalay!“ – nach Hause!

Zwei vor Freude fast platzende Mütter, eine stolze große Schwester der Zwillinge, packten blitzschnell ihre Sachen, holten sich noch die letzten Impfungen für die Jungs ab und jetzt sind sie schon weg…und werden uns ein bisschen fehlen (für Kollegen: Der „Arztbrief“ geht handschriftlich über eine 3/4 –Seite, Ultraschall von Hüften, Kopf und Nieren…wovon träumt Ihr nachts? Und ja, sie sind voll gestillt und haben über mehr als 5 Tage kontinuierlich zugenommen!).
Was haben wir bisher gelernt, über die Neugeborenenversorgung hier?

1) Lass die Finger von Infusionen, das klappt von der Hygiene her nicht wirklich (eine Flasche läuft z.T. über 6 Tage).

2) Behandle die Kinder noch großzügiger antibiotisch als zu Hause, denn sie sind einfach nicht so streng überwacht und Infektionen schleichen sich von hinten an ohne dass ein Monitor Alarm gibt.

3) Es gibt keine realistische Alternative zum Stillen, anständige Flaschennahrung kostet mehr, als unsere Patienten aufbringen können (in den meisten Fällen kaufen sie „Bear Brand“, ja, „Bärenmarke“, das günstigste Milchpulver, für die Säuglingsernährung ausdrücklich NICHT geeignet, und mischen es mit viel zu viel Wasser…da kommen nicht mehr viele Kalorien beim Kind an…). Und dann bräuchte man immer noch sauberes Wasser und abgekochte Flaschen… Also muss auch der Kleinste ganz schnell an Mutters Brust. Den 1500g-Knaben haben wir (nachdem er eine Infektion mit Krampfanfällen überstanden hatte und die Nebenwirkungen seiner Krampfmedikamente ausgeschlafen hatte) langsam mit einem Milchflaschensauger und eingeträufelter Muttermilch an seine Aufgabe gewöhnt, jeden Tag ein wenig mehr an Mutters Brust üben lassen, und siehe da, er macht’s super!

4) Wer denkt, das Kanguroohing – das Kuscheln an Mutters Brust – zu Hause viel betrieben wird, der sollte hier mal vorbeischauen! Unsere Babies kuscheln 24 Stunden am Tag. Temperaturmessungen erübrigen sich da, denn kalt wird hier keinem…
Und an dieser Stelle muss ich sie nochmal erwähnen: die große Schwester. Sie ist zwölf Jahre alt, ältestes von (jetzt) 8 Kindern, und einfach…großartig! Während der 24 Tage, die Ihre Brüder bei uns waren, hat sie fast immer einen von ihnen herumgetragen, während die Mutter den anderen gestillt hat. Fing ihr Schützling an zu quaken, huschte sie zur Mutter und tauschte die Jungs aus. Wenn wir zur Visite kamen und die Mutter schlief, hat sie sie ganz sanft geweckt. Und dabei ist sie trotzdem ein richtiges Kind! Wenn gerade mal beide Jungs auf Mutters Brust schlafen, flitzt die mit ihrer Freundin (große Schwester eines „Nachbarbabies“) durch die Flure, sitzt stundenlang vorm Fernseher (schaut Filme, die definitiv nicht für ihr Alter geeignet sind) und lacht über das ganze Gesicht, wenn man sie „Doctora“ nennt, weil sie so interessiert zuschaut, bei Infusionsanlagen, Magensondenspülungen und Bauchmassagen. Da steht man und denkt…das Mädchen ist clever! Sie sollte gefördert werden, sollte zur Schule gehen, sollte vielleicht einen Beruf lernen. Auf jeden Fall sollte sie eine Wahl haben, die Richtung für ihr Leben mitbestimmen, was bei uns zu Hause so selbstverständlich ist. Wir haben nicht gefragt, ob sie zur Schule gehen darf…hatten etwas Angst vor der Antwort…

Die Tochter unseres Hausmeisters ist die beste Schülerin ihres Jahrgangs, hat gerade die (wohl sehr schwierige) Aufnahmeprüfung zum College mit Sternchen bestanden, und jetzt ist noch immer unklar, ob sie die weiterführende Schule besuchen kann…denn das kostet 8000 Pesos (ca. 135 €) pro Jahr…mit einem philippinischen Haumeistergehalt unerschwinglich.

Impfmüdigkeit in Deutschland?

Ja, wir wissen, dass die Notwendigkeit selbst von Basisimpfungen immer wieder von besonders wohlmeinenden Eltern angezweifelt wird. Sollte es in unserem/Eurem Freundes-/Familien-/Bekanntenkreis auch jemanden geben, der meint, dass sein Kind keine Impfungen braucht, so erzählt ihm folgendes: Masern haben wir gesehen, auch mit einer schweren Lungenentzündung als Komplikation… Das Kind ging Gott sei Dank fit heim, was hier nicht selbstverständlich ist. Gestern haben wir einen Jungen mit Verdacht auf Kinderlähmung gesehen…seinen linken Arm kann er wohl für den Rest seines Lebens vergessen…der ist funktionslos. Ja, auch das gibt es hier noch ab und zu. Und zur Krönung kam gestern Mittag ein 6 Tage alter Junge, dessen Einzelheiten wir niemandem erzählen mögen. Nur soviel: er wurde zu Hause auf die Welt gebracht, wahrscheinlich auf dem Zimmerfußboden, von einer traditionellen Geburtshelferin begleitet. Vorgestern wurde er krank, mochte nicht mehr trinken, dann fing er erbärmlich an zu krampfen, wir konnten mit unseren begrenzten Mitteln hier nur wenig tun, brachten ihn abends mit Vollgas nach Davao in die Klinik (gemeinsam, und wir hatten 2,5 Stunden Fahrt alle 4 Hände voll zu tun), wo er nachts um 5 Uhr leider (wie wir inzwischen erfahren haben)…verstorben ist…an Neugeborenen-Tetanus!! Ehrlich, ein Appell an alle: schaut in Eure Impfpässe, auch die Erwachsenen, und wenn die letzte Impfung zu lange her ist, seht zu, dass Ihr Euch drum kümmert! So etwas möchten wir nie wieder sehen… Und falls irgendjemand an der Sinnhaftigkeit der hiesigen Einrichtung gezweifelt hat: hier haben die Landbewohner erstmals die Möglichkeit, unter sauberen Krankenhausbedingungen ihre Kinder auf die Welt zu bringen…DAS verhindert Tetanus beim Neugeborenen…
Bleibt alle schön gesund!

Alles wird gut…wenn das Programm funktioniert…

Ein Teil des vorletzten Textes war verschwunden, wir haben ihn jetzt nachgefügt…

Alles wird gut…

Wir sind gar nicht so blöde, wie wir dachten! So langsam läuft die Sache, wenngleich wir längst wissen, wie schnell sich dieser Eindruck wieder wandeln kann…
Die ersten unterernährten Kinder konnten wir heimschicken. An die Häufchen Elend von vor 3 Wochen erinnerte inzwischen nichts mehr. Lachend, in jeder Hand ein dicker Lego-Bauklotz und in jeder Backe ein dickes Stück „Plumpy nut“, die Spezialnahrung für unterernährte Kinder (besser als Milchschnitte und Fruchtzwerg zusammen: 500 kcal/Päckchen, auf Basis von Erdnüssen, incl. Eisen, Folsäure, Vitamine „von A bis Zink“, und, und, und…von wegen „so wertvoll wie ein kleines Steak“, da steckt ´ne ganze Kuh samt Weide drin!). Die Kinder finden es toll, essen es meist mit großem Appetit und strahlen von einem Ohr zum anderen…mit den Müttern um die Wette. Wie es aussieht? Naja, letzte Woche musste ich furchtbar lachen, weil ein Kind in seinem Bett saß (Mama war mal kurz draußen), sich vom Scheitel bis zu den Füssen mit der schönen braunen Paste eingeschmiert hatte…die Schwester, die etwas dichter dranstand bemerkte dann, dass es sich möglicherweise wirklich um Plumpy nut handelte…allerdings NACH Magen-Darm-Passage… herrlich! Gott sei Dank kommen einige von denen jetzt weiter zur wöchentlichen Kontrolle, je nachdem, ob sie in unseren direkten Einzugsbereich gehören oder von einer anderen ambulanten Nachsorgestelle weiterbetreut werden. Wir freuen uns darauf, sie wiederzusehen!
Bezahlt wird das Programm vom „ACF, action contre la faim“ (Aktion gegen den Hunger), nach klaren Regeln und Therapieplänen, die wirklich gut funktionieren. Eigentlich nichts weiter als simple Kochbücher, welche Ernährung zu welchem Zeitpunkt, wieviel pro Kilogramm Kind… Zur Begrüßung bekommt jedes Kind erstmal eine Wurmkur und eine antibiotische Therapie, quasi „Tabula rasa“ für einen gesunden Bauch, damit hinterher die guten Sachen schneller im Blut ankommen. Und was anfangs kompliziert klang macht inzwischen wirklich Spaß. So haben wir jetzt die nächste spannende Aufgabe: das Kind, das zusätzlich zur Unterernährung eine schwere Blutarmut hat (Hb 4)…wir haben uns schonmal mutig gegen eine Bluttransfusion entschieden, jetzt müssen wir dem Kind auf andere Art und Weise wieder rosige Frische auf die Wangen zaubern…könnte etwas dauern…
In der Ambulanz werden wir immer flotter, beim zwanzigsten dicken Abszess ist man halt nicht mehr so geschockt, wie beim ersten. Und doch gibt es täglich Fälle, bei denen wir denken: in zehn Jahren Kinderheilkunde daheim sehen wir nicht halb so viele unglaubliche Fälle, wie hier in zwei Wochen. Und wir merken, dass die einfachen Therapien oft vollkommen ausreichen. Ein bisschen „kleine Chirurgie“ durch unseren guten „Sir Raymond“ im „emergency room“, mit prima Wundversorgung, Abszessspaltung, desinfizierenden Bädern und Verbänden, dazu noch eine Dosis Antibiotika, und nach wenigen Tagen ist die Infektion verheilt, und die Haut etwas später auch. Ob die Narben genauso schön werden wie zu Hause? Naja, nicht ganz, aber die Haut ist ganz, dem Patienten geht es gut und er geht auf zwei Beinen nach Hause.
Antibiotika werden schneller verordnet, als zu Hause…na, welcher Doktor traut sich denn, das 15 Monate alte Kind mit Fieber seit 5 Tagen und Husten ohne Behandlung auf seinen 5-stündigen Heimweg durch den Busch zu schicken? Da funktioniert die bewährte „Wenn es nicht besser wird, kommen Sie morgen nochmal wieder“-Methode nicht… Und wenn die Geschichte doch mal zu banal für Antibiotika ist, gibt’s halt „Lagundi“, den traditionellen Hustensaft. Denn wie die Mütter in Deutschland, die sich notfalls mit homöopathischen Globuli zufrieden geben, möchte man auch hier nicht mit leeren Händen heimgehen. Und mancher „German doctor“ hat wohl auch schon die gute Wirkung des Kräuterextraktes getestet…
Deutlicher schwerer fällt uns der Umgang mit Medikamenten, die inzwischen längst aus deutschen Lehrbüchern und (Kinder-)Arztkoffern verschwunden sind. So verordnen wir hier fast täglich Chloramphenicol an alle Altersklassen, einmal sogar an ein schwer krankes Baby, und einmal mussten wir sogar einem 10-jährigen Jungen Ciprofloxacin geben…das würde in Deutschland echt Probleme geben (kann Knorpelschädigungen bei Kindern im Wachstum verursachen), aber resistente Bakterien machen halt auch vor ärmeren Ländern nicht halt, und die Medikamentenauswahl ist nicht groß. Und die Sorge um die Patienten, die latente Angst, Entscheidungen zu spät zu treffen, lässt uns schneller handeln, auch bei sichtbaren Risiken.
Unsere erste wirklich schwere Stunde hatten wir vor einer Woche…nachdem wir spätabends von unserem freien Wochenende zurückgekehrt waren, rief uns der diensthabende Arzt nachts zur Reanimation in die Notaufnahme. Leider waren all unsere Bemühungen erfolglos, und wir mussten lernen, dass heute noch Kinder an der Ruhr sterben… Der Kleine hatte zusätzlich eine schwere Unterernährung, und das war wohl einfach zu viel… Wir wussten schon vor unserer Abreise, dass uns auch solche Geschichten begegnen würden, aber leidende Mütter tun überall auf der Welt gleich weh… Seither haben wir bei mehreren Patienten denselben Durchfallerreger nachweisen können und sind doppelt auf der Hut…
Man könnte unendlich weiter schildern, was uns begegnet…der 9-jährige Junge (!) mit der Darmeinstülpung, die vom rechten Unter- bis in den Oberbauch reichte…und der uns völlig verwirrte, weil er einfach nicht schrie, obwohl es furchtbar wehtun musste… viele Kinder hier haben nie gelernt, dass Schreien hilft, also lassen sie es einfach bleiben. Der 6-jährige Junge mit dem Verdacht auf einen schweren Herzfehler, der heute aufgefallen ist… von einer Gemeindeschwester geschickt, weil er im Rahmen eines Durchfalls (!?!) blaue Lippen habe…ein Blick auf die verdickten Finger- und Zehenenden machte sofort die Schwere der Erkrankung klar, der Sauerstoffgehalt im Blut war…sehr niedrig…und der Kleine lacht und spielt (Hb 25, Hkt 73%)!
Sowieso sind die meisten Kinder fast gruselig brav. Carl hat es sehr treffend als „Schreckstarre“ bezeichnet. Sobald man die blassen, blonden Riesen sieht, bleibt der Mund offen stehen und man muss nur noch schnell genug nach der Lampe greifen um reinzuleuchten… Wir sind auch gern gesehene Gäste in jedem Supermarkt! Ganze Scharen von Verkäufern umringen uns, lauern uns auch gerne mehrfach hinter verschiedenen Regalen auf für viele freundliche „Good afternoon Ma’m, good afternoon sir!“. Leider entwickelt sich die Effizienz unserer Einkäufe umgekehrt proportional zur Dichte der Verkäufer. Da wird man auch gerne von 5 gleichzeitig beraten, z.B. beim Kauf eines Spannbettlakens. Das richtige (günstig und trotzdem Baumwolle) muss einem beim Verlassen der Abteilung dann doch selber ins Auge fallen… Und ständig rufen einem fremde Leute zu, wie unglaublich hübsch man ist… gestern wollte eine Dame unbedingt wissen, ob ich einen Bruder habe, sie wolle ihn nämlich gerne heiraten (Kai, ich geb‘ Dir die Adresse, Du kannst direkt in ihren florierenden Kiosk am Straßenrand einsteigen!). Und alle pubertierenden Mädchen flippen aus, wenn Marc sie einmal freundlich anlächelt… Szenen wie bei einer Autogrammstunde von Justin Bieber…
Auch sonst läuft die Integration recht gut. Nachdem Marc die liebevoll gestaltete Geburtstagskarte der Schwestern bekommen hatte (ihm wurden darin ungefähr zwanzig Babys für die Zukunft gewünscht, freiwillige Gebärende dürfen sich gerne melden, ich würde früher aus dem Geschäft aussteigen…), gab es abends die gebührende Party auf dem „family day“ in „Jones‘ beach Resort“ in Davao. Aufgrund des anstrengenden Nachtdienstes kamen wir nach Mittagsschlaf erst abends dort an, wurden gegen 18 Uhr von dröhnenden Bässen aus der überdimensionalen Musikanlage empfangen. Wir bezogen eins der zwei Doppelzimmer (alles andere sind Massenunterkünfte), das seine 20 Euro…wert…war…wir hatten ein großartiges…Duschklo… Dann machten wir schnell das einzig richtige, um die Chancen auf einen guten Abend unter den gegebenen Umständen zu erhöhen…und eineinhalb Stunden sowie 2 Liter „San Miguel“ („The only beer that nourishes true filippino friendships!“) später waren wir voll im Spiel! Die Liveband (die inzwischen dankbarerweise aufgetaucht und wirklich gut war) war sehr an „true german friendship“ interessiert, und so gab es nach jedem Lied einen „Happy birthday to doktor Marc Fluuutmään and also to doctora Käätrin Wörsss!!!“. Das ganze gipfelte in drei Ehrentänzen und meiner eher unfreiwilligen, jedoch vielfach zitierten Einlage als Rockröhre mit „Zombie“… Das letzte, was mich an dem Abend noch beschäftigte, war die Frage, warum der Schlagzeuger ein T-Shirt mit einem Hakenkreuz trug… ob er das für uns tat? Das Resort war ansonsten wirklich ein netter Platz für den „family day“. Zahlreiche Mitarbeiter der Klinik waren dort, viele hatten Partner und Kinder mitgebracht, es wurde gemeinsam gekocht, im Pool und am Strand geplanscht, Tischtennis gespielt und – natürlich – Karaoke gesungen. Bis nachts um 3 (da waren wir seit Stunden im Bett, Ohrenstöpsel sind was Tolles!) und morgens wieder ab 6.30 Uhr… Allmählich fühlen wir uns heimisch…war vielleicht doch `ne gute Idee, diese Geschichte hier…

Alles wird gut…

Wir sind gar nicht so blöde, wie wir dachten! So langsam läuft die Sache, wenngleich wir längst wissen, wie schnell sich dieser Eindruck wieder wandeln kann…
Die ersten unterernährten Kinder konnten wir heimschicken. An die Häufchen Elend von vor 3 Wochen erinnerte inzwischen nichts mehr. Lachend, in jeder Hand ein dicker Lego-Bauklotz und in jeder Backe ein dickes Stück „Plumpy nut“, die Spezialnahrung für unterernährte Kinder (besser als Milchschnitte und Fruchtzwerg zusammen: 500 kcal/Päckchen, auf Basis von Erdnüssen, incl. Eisen, Folsäure, Vitamine „von A bis Zink“, und, und, und…von wegen „so wertvoll wie ein kleines Steak“, da steckt ´ne ganze Kuh samt Weide drin!). Die Kinder finden es toll, essen es meist mit großem Appetit und strahlen von einem Ohr zum anderen…mit den Müttern um die Wette. Wie es aussieht? Naja, letzte Woche musste ich furchtbar lachen, weil ein Kind in seinem Bett saß (Mama war mal kurz draußen), sich vom Scheitel bis zu den Füssen mit der schönen braunen Paste eingeschmiert hatte…die Schwester, die etwas dichter dranstand bemerkte dann, dass es sich möglicherweise wirklich um Plumpy nut handelte…allerdings NACH Magen-Darm-Passage… herrlich! Gott sei Dank kommen einige von denen jetzt weiter zur wöchentlichen Kontrolle, je nachdem, ob sie in unseren direkten Einzugsbereich gehören oder von einer anderen ambulanten Nachsorgestelle weiterbetreut werden. Wir freuen uns darauf, sie wiederzusehen!
Bezahlt wird das Programm vom „ACF, action contre la faim“ (Aktion gegen den Hunger), nach klaren Regeln und Therapieplänen, die wirklich gut funktionieren. Eigentlich nichts weiter als simple Kochbücher, welche Ernährung zu welchem Zeitpunkt, wieviel pro Kilogramm Kind… Zur Begrüßung bekommt jedes Kind erstmal eine Wurmkur und eine antibiotische Therapie, quasi „Tabula rasa“ für einen gesunden Bauch, damit hinterher die guten Sachen schneller im Blut ankommen. Und was anfangs kompliziert klang macht inzwischen wirklich Spaß. So haben wir jetzt die nächste spannende Aufgabe: das Kind, das zusätzlich zur Unterernährung eine schwere Blutarmut hat (Hb 4)…wir haben uns schonmal mutig gegen eine Bluttransfusion entschieden, jetzt müssen wir dem Kind auf andere Art und Weise wieder rosige Frische auf die Wangen zaubern…könnte etwas dauern…
In der Ambulanz werden wir immer flotter, beim zwanzigsten dicken Abszess ist man halt nicht mehr so geschockt, wie beim ersten. Und doch gibt es täglich Fälle, bei denen wir denken: in zehn Jahren Kinderheilkunde daheim sehen wir nicht halb so viele unglaubliche Fälle, wie hier in zwei Wochen. Und wir merken, dass die einfachen Therapien oft vollkommen ausreichen. Ein bisschen „kleine Chirurgie“ durch unseren guten „Sir Raymond“ im „emergency room“, mit prima Wundversorgung, Abszessspaltung, desinfizierenden Bädern und Verbänden, dazu noch eine Dosis Antibiotika, und nach wenigen Tagen ist die Infektion verheilt, und die Haut etwas später auch. Ob die Narben genauso schön werden wie zu Hause? Naja, nicht ganz, aber die Haut ist ganz, dem Patienten geht es gut und er geht auf zwei Beinen nach Hause.
Antibiotika werden schneller verordnet, als zu Hause…na, welcher Doktor traut sich denn, das 15 Monate alte Kind mit Fieber seit 5 Tagen und Husten ohne Behandlung auf seinen 5-stündigen Heimweg durch den Busch zu schicken? Da funktioniert die bewährte „Wenn es nicht besser wird, kommen Sie morgen nochmal wieder“-Methode nicht… Und wenn die Geschichte doch mal zu banal für Antibiotika ist, gibt’s halt „Lagundi“, den traditionellen Hustensaft. Denn wie die Mütter in Deutschland, die sich notfalls mit homöopathischen Globuli zufrieden geben, möchte man auch hier nicht mit leeren Händen heimgehen. Und mancher „German doctor“ hat wohl auch schon die gute Wirkung des Kräuterextraktes getestet…
Deutlicher schwerer fällt uns der Umgang mit Medikamenten, die inzwischen längst aus deutschen Lehrbüchern und (Kinder-)Arztkoffern verschwunden sind. So verordnen wir hier fast täglich Chloramphenicol an alle Altersklassen, einmal sogar an ein schwer krankes Baby, und einmal mussten wir sogar einem 10-jährigen Jungen Ciprofloxacin geben…das würde in Deutschland echt Probleme geben (kann Knorpelschädigungen bei Kindern im Wachstum verursachen), aber resistente Bakterien machen halt auch vor ärmeren Ländern nicht halt, und die Medikamentenauswahl ist nicht groß. Und die Sorge um die Patienten, die latente Angst, Entscheidungen zu spät zu treffen, lässt uns schneller handeln, auch bei sichtbaren Risiken.
Unsere erste wirklich schwere Stunde hatten wir vor einer Woche…nachdem wir spätabends von unserem freien Wochenende zurückgekehrt waren, rief uns der diensthabende Arzt nachts zur Reanimation in die Notaufnahme. Leider waren all unsere Bemühungen erfolglos, und wir mussten lernen, dass heute noch Kinder an der Ruhr sterben… Der Kleine hatte zusätzlich eine schwere Unterernährung, und das war wohl einfach zu viel… Wir wussten schon vor unserer Abreise, dass uns auch solche Geschichten begegnen würden, aber leidende Mütter tun überall auf der Welt gleich weh… Seither haben wir bei mehreren Patienten denselben Durchfallerreger nachweisen können und sind doppelt auf der Hut…
Man könnte unendlich weiter schildern, was uns begegnet…der 9-jährige Junge (!) mit der Darmeinstülpung, die vom rechten Unter- bis in den Oberbauch reichte…und der uns völlig verwirrte, weil er einfach nicht schrie, obwohl es furchtbar wehtun musste… viele Kinder hier haben nie gelernt, dass Schreien hilft, also lassen sie es einfach bleiben. Der 6-jährige Junge mit dem Verdacht auf einen schweren Herzfehler, der heute aufgefallen ist… von einer Gemeindeschwester geschickt, weil er im Rahmen eines Durchfalls (!?!) blaue Lippen habe…ein Blick auf die verdickten Finger- und Zehenenden machte sofort die Schwere der Erkrankung klar, der Sauerstoffgehalt im Blut war…sehr niedrig…und der Kleine lacht und spielt (Hb 25, Hkt 73%)!
Sowieso sind die meisten Kinder fast gruselig brav. Carl hat es sehr treffend als „Schreckstarre“ bezeichnet. Sobald man die blassen, blonden Riesen sieht, bleibt der Mund offen stehen und man muss nur noch schnell genug nach der Lampe greifen um reinzuleuchten… Wir sind auch gern gesehene Gäste in jedem Supermarkt! Ganze Scharen von Verkäufern umringen uns, lauern uns auch gerne mehrfach hinter verschiedenen Regalen auf für viele freundliche „Good afternoon Ma’m, good afternoon sir!“. Leider entwickelt sich die Effizienz unserer Einkäufe umgekehrt proportional zur Dichte der Verkäufer. Da wird man auch gerne von 5 gleichzeitig beraten, z.B. beim Kauf eines Spannbettlakens. Das richtige (günstig und trotzdem Baumwolle) muss einem beim Verlassen der Abteilung dann doch selber ins Auge fallen… Und ständig rufen einem fremde Leute zu, wie unglaublich hübsch man ist… gestern wollte eine Dame unbedingt wissen, ob ich einen Bruder habe, sie wolle ihn nämlich gerne heiraten (Kai, ich geb‘ Dir die Adresse, Du kannst direkt in ihren florierenden Kiosk am Straßenrand einsteigen!). Und alle pubertierenden Mädchen flippen aus, wenn Marc sie einmal freundlich anlächelt… Szenen wie bei einer Autogrammstunde von Justin Bieber…
Auch sonst läuft die Integration recht gut. Nachdem Marc die liebevoll gestaltete Geburtstagskarte der Schwestern bekommen hatte (ihm wurden darin ungefähr zwanzig Babys für die Zukunft gewünscht, freiwillige Gebärende dürfen sich gerne melden, ich würde früher aus dem Geschäft aussteigen…), gab es abends die gebührende Party auf dem „family day“ in „Jones‘ beach Resort“ in Davao. Aufgrund des anstrengenden Nachtdienstes kamen wir nach Mittagsschlaf erst abends dort an, wurden gegen 18 Uhr von dröhnenden Bässen aus der überdimensionalen Musikanlage empfangen. Wir bezogen eins der zwei Doppelzimmer (alles andere sind Massenunterkünfte), das seine 20 Euro…wert…war…wir hatten ein großartiges…Duschklo… Dann machten wir schnell das einzig richtige, um die Chancen auf einen guten Abend unter den gegebenen Umständen zu erhöhen…und eineinhalb Stunden sowie 2 Liter „San Miguel“ („The only beer that nourishes true filippino friendships!“) später waren wir voll im Spiel! Die Liveband (die inzwischen dankbarerweise aufgetaucht und wirklich gut war) war sehr an „true german friendship“ interessiert, und so gab es nach jedem Lied einen „Happy birthday to doktor Marc Fluuutmään and also to doctora Käätrin Wörsss!!!“. Das ganze gipfelte in drei Ehrentänzen und meiner eher unfreiwilligen, jedoch vielfach zitierten Einlage als Rockröhre mit „Zombie“… Das letzte, was mich an dem Abend noch beschäftigte, war die Frage, warum der Schlagzeuger ein T-Shirt mit einem Hakenkreuz trug… ob er das für uns tat? Das Resort war ansonsten wirklich ein netter Platz für den „family day“. Zahlreiche Mitarbeiter der Klinik waren dort, viele hatten Partner und Kinder mitgebracht, es wurde gemeinsam gekocht, im Pool und am Strand geplanscht, Tischtennis gespielt und – natürlich – Karaoke gesungen. Bis nachts um 3 (da waren wir seit Stunden im Bett, Ohrenstöpsel sind was Tolles!) und morgens wieder ab 6.30 Uhr… Allmählich fühlen wir uns heimisch…war vielleicht doch `ne gute Idee, diese Geschichte hier…

Die Welt steht Kopf…

Ein herzlicher Empfang...

Was für eine Woche! Mit Kopfsprung ins kalte Wasser, und das mir…wo ich doch so gerne Hilfe an meiner Seite weiß…aber Marc ist ja da!

Da wollte ich eigentlich am Montag nur über Carls erfahrene Schulter schauen, sehen, wie er die Aufnahme führt, wie er die gängigen Krankheitsbilder behandelt, und plötzlich steht da Alfonso und bietet sich als Übersetzer im Nebenzimmer an…es wären so viele Patienten da…
Und schon war ich „Dr. Katrin, die Ärztin in Aufnahmezimmer 4“. Und es ging nicht (wie versprochen) mit Husten und Schnupfen los, nein…das erste Kind war 3 Monate alt, ziemlich beeinträchtigt, läuft inzwischen längst unter der Verdachtsdiagnose einer RSV-Bronchiolitis, hatte bis Samstag(5 Tage) Sauerstoffbedarf, inzwischen sieht er wieder fit aus. Eigentlich ein Standardfall, wie zu Hause, aber so ohne Monitorüberwachung und ohne Infusion…man musste schon mal ein wenig denken… Der zweite Patient hatte eine Bindehautentzündung, Fieber seit 3 Tagen, Abgeschlagenheit, und dann habe ich da so einen Hauch eines Ausschlags seitlich an den Wangen gesehen…war komplett geimpft, nur Masern waren irgendwie unter den Tisch gefallen…ja, das hat sich jetzt erübrigt…und wir haben nach langer Zeit mal wieder lehrbuchreife Koplik-Flecken gesehen. Da gab es dann eine große Portion Vitamin A und ab nach Hause. Bis hierher waren ein paar Minuten rum, und es ging erst richtig los…Endlich auch die versprochenen banalen Luftwegsinfekte, Lymphknotenschwellungen (hier haben wir an unsere liebe Oberärztin zu Hause gedacht, ja Katja, wenn es abszediert, ist es außen rot und warm…). Da ist unser „Sir Raymond“, der Pfleger im „Emergency-Room“ Gold wert. Völlig selbstständig übernimmt er die kleine und mittelgroße Chirurgie, spaltet Abszesse, versorgt Biss- (die allgegenwärtigen Hunde), und Brandwunden. Und notfalls entfernt er noch Fremdkörper aus verschiedenen Körperöffnungen… Z.B. den Stein, den ein Mädchen sich im Alter von 2 Jahren ins Ohr gesteckt hat…inzwischen war sie 5, alle waren sicher, nur Ohrenschmalz zu sehen, nein, nach Einweichen und Spülen kam tatsächlich ein Stein zum Vorschein!
Im Mai-Dienstplan tauchen wir dankbarerweise noch nicht auf, dennoch gab es einen ersten nächtlichen Notruf. Mittwochnacht um 3 Uhr klopfte es vorsichtig an unsere Schlafzimmertür, es sei gerade ein Frühchen geboren, auf dem Weg von zu Hause auf einem Billiardtisch am Strassenrand (!), weil die Wehen zu stark wurden, Carl sei schon im Kreissaal, ob wir dazukommen würden. Da war ein 1500g-Winzling, eiskalt (das Thermometer konnte nicht messen), aber dafür recht fidel. Also ab in den Brutkasten, mit einer deutlich überdimensionierten Mütze, einer Riesenwindel und einem Body, in den er vielleicht in 3 Monaten passt… Wir waren doch etwas überrascht, als bei Tageslicht ein geschätztes Schwangerschaftsalter von 36 Wochenherauskam. Die Kinder sind hier einfach etwas kleiner, als zu Hause, über 3000g sind nur die „Moppelchen“! In diesem Fall war es aber natürlich trotzdem ein zu geringes Wachstum in der Schwangerschaft…und jetzt istWachsen angesagt!

So hielt die Woche uns in Atem, ein 33-jähriger Mann im akuten Nierenversagen, eigentlich nur ein Zufallsbefund bei Gonorrhoe… so ein Krea von 6 mg/dl sieht man bei uns nicht jeden Tag, aber ein sonographischer Blick auf die Nieren zeigte neben unzähligen Zysten eigentlich nichts…jedenfalls kein Nierengewebe.
Eine Frau mit dickem Bauch…wurde reflexartig zur Gynäkologin geschickt, die sah nur Wasser im Bauch, jetzt wird die Tuberkulose behandelt…
Im Gegensatz hierzu die junge Frau mit den Bauchschmerzen…hatte ihre…ich weiß nicht wievielte Nierenbeckenentzündung, beim sonographischen Blick fiel nebenbei aber noch ein kleines Gummibärchen in der Gebärmutter auf…herzlichen Glückwunsch!
Weniger fröhlich macht die Geschichte der 29-jährigen Frau mit Zahnfleischbluten…das Blutbild war sehr einfach als Leukämie zu beurteilen (für Kollegen: 55tsd Leukos, 96% Lymphozyten, 80tsd Thrombos, Hb 5,2, inzwischen Hb 3,7 nach weiterer Blutung), und eine Therapie ist hier aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht möglich…
Ziemlich traurig wird man auch, wenn man die unterernährten Kinder sieht… Mit spindeldürren Ärmchen und Beinchen (wenn der Umfang des Oberarmes (6 Monate bis 5 Jahre) unter 115mm liegt, werden sie als unterernährt behandelt, ich habe am Freitag ein Kind mit einem Armumfang von 82mm gesehen…probiert es mal zu Hause mit einem Maßband aus…), oder mit z.T. massiven Wassereinlagerungen, aufgequollen, mit furchtbaren Hauterscheinungen, Ausschlag, z.T. aufgerissen… Hier ist es aber schön, zu sehen, wie gut inzwischen die Ernährungsprogramme funktionieren, wie schnell aus kleinen jammernden Häufchen wieder Flirtwunder werden (wir haben da einen interfamiliären Wettstreit laufen, wer bringt welches Kind das erste Mal zum Lachen…). Noch schöner wäre es, wenn die Therapie zu Hause konsequent weitergeführt würde… Die Eltern sollen sich wöchentlich die kalorienreiche Nahrung für ihr Kind abholen, können sich aber z.T. die Fahrtkosten (meist ca. 1-2Euro, Tagesverdienst eines Arbeiters) nicht leisten.
So sind wir schon mittendrin im Trubel. Dienstzeit 8-18 Uhr, dazwischen Pause von 12-13.30 Uhr (alle lassen Schlag 12 den Stift fallen: „Lunchtime!“), z.T. sind noch Ruhephasen dazwischen, je nach Ambulanzauslastung, aber da schreibt man Entlassbriefe (ja, auch hier!), schaut mal nach den stationären Kindern, und, und, und.
Und dann muß noch regelmässig nach dem Wasserstand geschaut werden. Es regnet hier relativ viel…täglich seit wir hier sind. Und mit jedem Regen (immer sturzbachartig!) schwillt der Wasserpegel im Bach hinter unserem „Doctors House“ rapide und z.T. bedenklich an. Die Markierungen an der Küchenzeile erinnern an die Hochwasser der letzten zwei Jahre… etwa auf Kniehöhe. Also hängen inzwischen alle Möbel auf Hüfthöhe (Kleiderschränke, Bücherregale), wir lassen möglichst nichts auf dem Boden liegen, wer weiß, sonst wacht man morgens auf und die Flip-Flops schwimmen an einem vorbei… Die hiesige Fauna ist auch nicht zu mißachten, so sitzen unzählige Frösche/Kröten rund um unser Hause und balzen, was das Zeug hält, die ganze Nacht. Nachts postieren sich die dicksten Exemplare direkt vor unserer Tür, weil dort im Licht leckere Mücken rumschwirren. Und da die Kröte an sich nicht sehr clever ist, springen sie dann ständig gegen die Tür (gibt immer nen ordentlichen Knall) oder, wenn wir uns nähern, bevorzugt mitten in den einzigen Kaktus weit und breit. Auf den umgebenden Wiesen grasen Pferde und Wasserbüffel in freundlichem Miteinander. Und die Insekten sind überhaupt der Knaller. Die treten niemals in Misch-Schwärmen auf, sondern fein sortiert, nach Tagen! Einen Abend gab es kleine geflügelte Ameisen im ganzen Haus, dann war alles voller Ahorn-Samen-ähnlicher Falter, und vorgestern kamen plötzlich tausende kleiner schwarzer Käfer, etwa von Marienkäfer-Dimension unter der Haustür durch. Spinnen? Bisher nur eine relativ große, wurde von Marc tapfer mit dem Besen vor die Tür gekehrt. Und allgegenwärtig die Mini-Ameisen. Wir haben tagelang nicht verstanden, warum plötzlich eine Ameisenstrasse quer durch unser Zimmer führte, bis wir auf der Suche nach Papieren in die Handtasche sahen. Und da fanden wir die Rolle „Nimm2“. War noch fast voll, es fehlten nur zwei Bonbons…und jetzt voller Ameisen, glücklich im Schlaraffenland.
Also, unser Tag ist voller Herausforderungen, beruflich und privat. Aber die Mitarbeiter sind freundlich, eifrig und geduldig, wenn unser englisches Fachvokabular einmal hakt. Die philippinischen Ärzte sind wissbegierig, noch recht frisch im Job, aber auch sehr bemüht. Und trotz wachsender Selbstzweifel sind wir weiter motiviert, unser Bestes zu geben…mal sehen, ob das reicht. Hier werden oft die erfahreneren Ärzte der Organisation eingesetzt, und wir merken, dass wir als „Greenhorns“ doch recht naiv sind. Wenn die gewohnten Medikamente fehlen, plötzlich völlig andere täglich zum Einsatz kommen (für Kollegen: Chloramphenicol wird fast täglich verordnet, Ciprofloxacin für Kinder zumindest regelmässig), die Infusionslösungen anders heißen, als zu Hause und auch anders eingesetzt werden (wieder für Kollegen: Defizitausgleich bei Dehydratation mit 1/3-isotoner Lösung…), da gerät man schnell ins Schwitzen.

Das ist paediatrische Schwerstarbeit...

Manchmal regt sich leise Heimweh…danke für die liebe Kommentare und Mails, so fühlen wir uns nicht ganz so weit weg… Schön wäre, wenn gerade ein paar Schwestern von zu Hause einfliegen könnten, denn bei aller Freundlichkeit, so ein bisschen Zunder könnten die Damen mal gebrauchen…vielleicht könnte unser geschätzter Stationsleitungs-Stammtisch den nächsten Ausflug hierher machen?Wir könnten Unterstützung brauchen… Wie auch immer, unsere Ärmel sind hochgekrempelt, heute Abend haben wir unsere Ambulanzzimmer entrümpelt und geputzt, auf in den Kampf…

Galerie update

Hab gerade die Impressionen Seite um ein paar Bilder ergänzt, viel Spaß beim ansehen.

Im nächsten Anlauf arbeite ich noch ein bischen mehr am Design.

Alles Taschenspieler…

Jeepney

Ja, wir beißen uns durch, aber Manila ist schon irgendwie…nervig. Nichts gegen unser Hotel, das „Best Western“ ist zwar etwas älter, aber man hat die Zimmer mit Liebe instandgesetzt, und wir hatten eine angenehme, ungezieferfreie Nacht bisher… Haben uns aber draußen heute das erste Mal nicht so richtig sicher gefühlt, wurden bereits nach 5 Minuten das erste Mal von einem wohlmeinenden älteren Herrn angesprochen, weil wir etwas aus meiner Handtasche nehmen wollten und er meinte, wir sollten die Tasche lieber zulassen…gruselig, wir hatten schon sämtliche Wertsachen im Hotel gelassen und befanden uns am Spazierweg am Hafen. Der dezente Urin- und Fäkaliengeruch desselbigen trieb uns dann rasch wieder in die Innenstadt, um die ersten Travellerschecks einzulösen. War ein etwas längerer Marsch, bis wir das Büro von American Express gefunden hatten. Dort kam dann Taschenspielerin Nummer 1 des Tages. Die AmEx-Mitarbeiterin wies uns auf den aktuellen Dollarkurs hin, nahm fröhlich unser Geld entgegen, und wollte uns laut Quittung erstmal 50 Peseten (ca. 1 Euro) zu wenig auszahlen… darauf hingewiesen zog sie blitzartig die Quittung zurück, rechnete neu, und siehe da, es gab 50 Pesos mehr…und `ne neue Quittung…

Dort also raus, mit etwas mehr Geld in der Tasche wollten wir schnell ins Taxi, das erste was hielt bot an, uns für 300 Pesos zum Hotel zu fahren, ca. 150 wären mit Taxameter zu erwarten gewesen…als wir unsere Vorliebe für Taxameter gestanden waren wir ihm gerade  noch einen abschätzigen Blick und eine zum Gruß erhobene Hand wert…und weg war er! Der nächste musste zwar auch daran erinnert werden, das Taxameter einzuschalten, nahm uns dann aber anstandslos mit…und brachte uns zu einem fairen Preis ins Hotel sowie nach Verstauen des Geldes im Zimmersafe noch weiter nach „Intramuros“, den alten Stadtkern von Manila. Hier war es dann überraschend hübsch, das eine oder andere Haus im Stil der Kolonialzeit hat die sinnlose Bomberei des Weltkrieges dann doch überstanden. Nach einiger Schlenderei sind wir dann zurück ins Hotel (zu Fuß), und nach Blitzdusche (mit einer halsbrecherischen Taxifahrt, der Fahrer hat jede Verkehrsregel missachtet, die je erfunden wurde…aber wir waren trotz Feierabendverkehr auf der Pole-Position und als erste da…von Angstschweiss durchnässt und aneinander geklammert… Für die besonders flotte Fahrt wollte der Herr dann entspannte 20% mehr, als auf dem Taxameter standen…hat 5% bekommen…hat schließlich auch sein eigenes Leben riskiert…) in die „Mall of Asia“, das drittgrößte Einkaufszentrum der Welt. Hier wurden wir mit einem Feuerwerk empfangen (!!!) und haben dann ruckzuck unsere Pflichteinkäufe (was halt so fehlte, für die nächsten Wochen) erledigt und Marc hat sich noch den Kopf hübsch machen lassen, will ja anständig aussehen, morgen am neuen Arbeitsplatz! Und wir haben endlich unser Handy aufladen können, mit der SIM-Karte, die uns eine Vorgängerin von „Ärzte für die dritte Welt“ freundlicherweise beim Treffen in Frankfurt geschenkt hat. Konnte jetzt schon zweimal…mit dem Anrufbeantworter meiner Eltern sprechen, super… Und Marcs Mutter war auch nicht erreichbar. Man merkt vielleicht, es war nicht unser bester Tag, aber unterm Strich muss man sagen, wir haben einen Eindruck von Manila bekommen. Wir haben die verschiedenen charakteristischen Beförderungsmittel bestaunt, „Put-Puts“ und motorisierte Dreiräder (Fahr- oder Motorräder mit Beiwagen), die z.T.  sehr fantasievoll gestalteten „Jeepneys“ (alte Armeegeländewagen, von den Amerikanern zurückgelassen) und „Kalesas“ (zweiräderige Pferdewagen).

Leider haben wir auch eine große Portion Elend gesehen, mit Menschen die in Bretterbuden leben, Kindern, die im Müll sitzen und spielen, Erwachsenen, die Elektronikschrott zerlegen und sortieren, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen… Wir müssen uns bemühen, uns nicht für unser so unkompliziertes, sorgloses und (oft wohl unverdient) wundervolles Leben zu schämen…

Morgen beginnt dann das wohl größte Abenteuer unseres bisherigen Lebens…wäre gut, wenn uns möglichst viele Daumen gedrückt würden, könnte nötig sein… Je nach Internetzugang und Anfangschaos bitten wir eine Verzögerung der nächsten Berichte zu entschuldigen…wir melden uns bald wieder!

Hong Kong, ready for boarding…

Auf geht’s, in den Flieger nach Manila… Aufregung!!! HotSpot am Flughafen ist cool…

Erneuter Hausbesuch…

Das Ende naht…wir sind zurück auf Bali, und heute geht der Flug auf die Philippinen! Gestern sind wir wohlbehalten mit dem OceanStar-Fastboat zurückgekommen und haben uns nach Sanur bringen lassen…einigermaßen ruhige Ecke und dennoch nicht weit vom Flughafen. Die empfohlene Adresse „Ariputri“ war leider ausgebucht, die eleganten Hotels am Strand sind zwar sehr schick, kosten aber entspannte 180 US-$ pro Nacht… Im Ariputri empfahl man uns ein Hotel in einer Seitenstrasse…ich kann mich nicht entscheiden, was widerlicher war, der Gestank in den Zimmern, oder das Rattengift in der Badezimmerecke…auf jeden Fall indiskutabel! Auf dem Rückweg zur Hauptstraße (ich war inzwischen bereit eins der teuren Zimmer zu nehmen) fiel dann der Blick auf das benachbarte Hotel („Abian Kokoro“) , etwas zurückgesetzt, hinter einem japanischen Restaurant („Sumo“)…und es erwies sich…zunächst…als Himmel auf Erden. Das Zimmer westlich-elegant, äußerst sauber, alles ganz neu, für 25€ pro Nacht, wir haben wild nach dem Haken gesucht! Egal, ab ins Bad, Körperpflege bis zum Umfallen, es war herrlich! Und weil wir gerade so in Genussstimmung waren, haben wir uns gleich noch eine kleine Abschiedsparty gegönnt. Auf Kosten meiner Tante Henni (DANKESCHÖN!) ging es ins Strandrestaurant des Edelhotels nebenan. Dort gab es zum ersten Mal seit 3 Wochen einen Weißwein!! Einer von hier, trocken, und sehr, sehr gut! Also gab es noch einen zweiten

auf Dich Tante Henni

…und Antipasti als Vorspeise, einen gegrillten Red Snapper und Spinatrouladen mit Rucolasalat als Hauptgang und anstelle eines Nachtisches einen Cocktail auf dem riesigen Sesselsofa mit Blick aufs Meer… Unterm Strich war selbst dieser Abend nicht teurer, als ein Mittagessen im „Fegerer“ (dennoch vermissen wir ihn…).

Das erste Mal seit Tagen gingen wir dann wieder gerne in unser Zimmer, haben unsere Sachen zu Ende gepackt und sind sanft eingeschlummert. Die Klimaanlage hatten wir wohl ausgeschaltet, nachts wurde es allmählich warm…da lässt man schon mal ein Bein unter dem Laken rausgucken…und dann hat es da so gekitzelt, um 5 Uhr früh…hab ich halt mal nachgeschaut, warum, und sah das Mäuschen gerade noch in Richtung von Marcs Füßen forthuschen… Es folgte zunächst viel Gelächter, Marc meinte, ich hätte `nen Knall, das sei bestenfalls einer der allgegenwärtigen Geckos gewesen, wollte dann aber die Gelegenheit nutzen und schnell mal…ins Bad. Von dort rief er mir dann fröhlich zu, ich sei doch nicht verrückt, die Maus sei in der Badewanne…und komme nicht mehr raus! Das nenne ich mal eine buddhistische Mausefalle, an den hohen Seiten der Wanne ist das Tierchen immer wieder abgerutscht… also haben wir es mit einem Karton eingefangen und Marc hat es vors Hotel getragen. Den Kumpel, der im selben Moment unter dem Kleiderschrank rausguckte und gleich wieder verschwand haben wir ignoriert und sind wieder schlafen gegangen (gut zugedeckt, mit laufende Klimaanlage…). Am Morgen hatte dann  auch er sich selber in der Wanne eingefangen (kein Witz!) und wurde auf die Straße getragen. Aber die Balkonschiebetür lässt immer einen Spalt offen, da können die Mäuse wohl immer wieder rein…trotz des dritten Stockwerks…

Gerade gab es ein gutes Frühstück, Marc war wie immer sehr experimentierfreudig (Sushi zum Frühstück…Respekt, das hätte ich bisher nur einem gewissen Oberarzt und seiner Gattin zugetraut…).

roher Fisch zum Frühstück .... oder ist es doch unserer Freund von heute Nacht

 

Und so packen wir jetzt mit gemischten Gefühlen unsere letzten Sachen ein…auf in das Abenteuer „Ärzte für die dritte Welt“…werden wir gut genug sein? Wir haben doch eigentlich keine Ahnung, was uns erwartet! Und doch freuen wir uns darauf, dazulernen zu können, über den engen Rand unseres bisher wohlbehüteten Assistenzärztedaseins hinausblicken zu können… Und wir passen schon aufeinander auf! Ich hab ja einen Facharzt (und Neonatologen!) dabei, den ich fragen kann, wenn es hakt… Auf geht’s!

Übrigens: sollte einer von Euch Ahnung von Nagern haben, und auf dem Foto etwas anderes als eine freundliche Gartenmaus erkennen…wir wollen es nicht wissen!

Außerdem: vielen Dank für die zahlreichen Kommentare, heute früh gab es vier (!) neue, und wir haben uns unbändig gefreut!